Puppen sterben besser. Doch sie sind solche Diven!

Ab Halloween lässt sich am Schubert Theater eine Woche lang schönstes Figurentheater zum Thema Tod
genießen: Vom 31.10 – 6.11. findet das dritte PUPPEN STERBEN BESSER FESTIVAL statt. Im Atelier
erhalten zwei der Figuren gerade ihren letzten Schliff. Ein Werkstattgespräch mit Festivalleiterin Lisa
Zingerle und den Puppenbauerinnen Barbara Kriegl und Rebekah Wild.

Redaktion: Jana Schulz
Fotos: Sebastian Kainradl

Warum sterben Puppen besser?

Zingerle: Die Schönheit des Figurentheaters liegt darin, dass man toten Objekten Leben einhaucht – und
auch wieder entzieht. Oft ist das für das Publikum greifbarer und ergreifender, als klassisches „Menschentheater“. Dort sieht man ja doch, dass der Schauspieler atmet. Auch wenn er vielleicht gerade den schönsten Theatertod gestorben ist, den es auf der Bühne gibt.
Wenn aber eine Puppe nicht mehr bespielt wird, ist sie wirklich leblos.

Kriegl: Puppen können übrigens alles besser. Nicht nur sterben.

Ein Schwerpunkt zum Tod drängt sich also geradezu auf bei einem Puppen-Festival?

Zingerle: Das ist jedenfalls der Ausgangspunkt des Festivals. Der Tod wird in unserer Gesellschaft
tabuisiert – dabei ist das eines der wenigen Themen, das uns ausnahmslos alle betrifft. Unser Körper hat
einfach ein Ablaufdatum. Je nachdem, wie gut wir ihn umsorgen, etwas früher oder später.

Die ersten Festivaltage werden mit einem Kurztheater über zwei beeindruckende alte Frauen
eröffnet: GOYA WEIBER, einer Kooperation von Wild Theatre und Theater Fidlfadn. Wie kam es dazu?

Wild: Zuerst wollten wir ein Märchen machen, konnten uns aber auf keines einigen. Da gab es keines, das
für ein zehnminütiges Stück für Erwachsene gepasst hätte. Dann haben wir gedacht – lassen wir uns doch
von einem Künstler inspirieren. Ich liebe Francisco de Goya, eigentlich alles von ihm, besonders aber
diese kleinen Serien über Hexen und alte Frauen.
Kriegl: Wir haben dann geschaut, welche Bilder eine schöne Geschichte ergeben.
Wild: Und hier sind sie, die zwei Puppen. Die beiden sind übrigens solche Diven!

Kriegl: Ja, jedes Mal, wenn wir geglaubt haben, wir sind schon fertig, haben die Puppen noch irgendeine
Änderung gewollt! Und wir dachten: Na gut, machen wir das noch. Und das noch. Eigentlich sollten es
ganz einfache Figuren sein. Ach nein, machen wir noch die Arme geschnitzt. Und die Beine. Und, und,
und…
Wild: Wirklich! Und das für ein ganz kurzes Stück. Ich mache sehr gerne so kurze Stücke. Man braucht
nicht viel. Trotzdem – jede Aktion verlangt eine gewisse Technik von der Figur, die die dann eben
können muss. Wir haben uns auch wirklich den Luxus gegönnt, gründlich dran zu arbeiten. Weil es ein
Kurzstück ist, ist man flexibler als bei einem langen – man muss ja keine Stunde füllen, man kann
wirklich nur die allerbesten Szenen nehmen.
Kriegl: Das Problem beim Figurenbau ist natürlich, dass der Aufwand der gleiche ist wie bei einem
abendfüllenden Stück.
Wild: Naja, und wir sind auch beide Perfektionistinnen.
Kriegl: Wir haben uns dann gegenseitig immer weiter aufgeputscht.

Diven, sagt ihr. Die Puppen entwickeln also ein Eigenleben. Ist das immer so?

Wild: Oh ja, das ist immer so!

Wenn ich eine Frage direkt an eine der Goya-Damen richten darf: Gibt es ein bestimmtes Ziel, das Sie mit Ihrem Auftritt verfolgen?

Puppe: Wir wollen unsere Schönheit präsentieren.
Kriegl: Beim Stück werden die beiden aber gar nicht sprechen, wir kommen ohne Worte aus.
Wild: Ich arbeite vorwiegend nonverbal. Ich liebe Worte und Dichter, aber Figurentheater hat so viele
Möglichkeiten, ohne Worte etwas zu sagen. Und auch dem Publikum eröffnet es andere Möglichkeiten –
es ist eine andere Art des Zuschauens. Es bedient andere Schalter im Hirn.
Zingerle: Das Spannende ist: Je weniger Sprache man verwendet, desto persönlicher kommt das Stück
daher, und desto persönlicher nimmt das Publikum es auf. Ohne Sprache fallen noch mehr Barrieren weg,
man kann es noch leichter auf sich beziehen.
Kriegl: Und Scott Wallace spielt dazu live auf ungewöhnlichen Instrumenten. Xaphoon und Bodhran,
vergleichbar mit Flöte und Trommel.

Zingerle: Ich freue mich besonders, dass wir beim Festival diesmal gleich drei Produktionen mit Live-
Musik haben: Neben den GOYA WEIBERN auch IM BLUT und LIEBESG’SCHICHTEN UND TODESSACHEN.

Inwiefern geht es bei den anderen Produktionen um den Tod?

Zingerle: Bei IM BLUT von Christoph Bochdansky und den Strottern geht es eigentlich um gescheiterte
Existenzen. Nicht immer ist es eine Person, die stirbt, sondern vielleicht auch mal ein Projekt. Oder eine
Romanze. Und dann muss man Abschied nehmen, und etwas gehen lassen. Das wird bei IM BLUT
zelebriert. Und bei LIEBESG’SCHICHTEN UND TODESSACHEN erleben wir einen
autobiographischen Abend von Barbara Spitz. Sie vereint dabei auf vollendete Weise britischen
schwarzen Humor mit wienerischem schwarzem Humor. Auf der Bühne wird sie dabei vom Pianisten
Otmar Binder unterstützt. Und von einem Schweinsbraten, der nicht ganz koscher ist.

Das sind ja schon einige Hinweise, wie wir das Ablaufdatum unseres Körpers etwas enttabuisieren können.

Ja, Humor öffnet nicht nur die Seele, sondern ermöglicht manchmal überhaupt erst Diskussionen. Mit
einem Lachen kannst du das Gespräch schneller und leichter eröffnen.
Die große Komödie des Festivals ist ROMEO & JULIA – LIEBE UND TOD IN DER KÜCHE. Hier
erleben wir eine große Materialschlacht und Objektmanipulationen. Kaufmann & Co. nehmen die
Perspektive der Köchinnen der verfeindeten Familien Capulet & Montague ein und stellen Shakespeares
Tragödie in der Küche nach. Die Produktion RAW vom Dramalabel dreht sich schließlich um Tod und
Medizin, Medizin als Gegner des Todes, sozusagen. Wenn wir im Krankenzimmer nur noch
dahinsiechen, ist das auch ein Ausgangspunkt für eine Diskussion – über Sterbehilfe.

Vielen Dank für das Gespräch.

Puppen sterben besser Festival 2019

//english version below//

Puppen sterben besser! Das beweist das Schubert Theater auch bei der 3. Auflage des Festivals und zeigt rund um Halloween, Allerseelen und Allerheiligen amüsant-schauderöses Figurentheater. Internationale Gäste laden ein, sich mit einem Thema zu befassen, das uns alle betrifft – der Endlichkeit.

So erforscht Barbara Spitz (AT) in ihrer Solo-Show „Liebesg’schichten & Todessachen“ mit viel Wärme und noch mehr schwarzem Humor Tabus und skurrile Gebräuche unterschiedlicher Kulturkreise rund ums Sterben. Doch der Tod muss nicht immer das Ende sein: Kaufmann & Co (DE) machen einen der berühmtesten Theatertode zum Ausgangspunkt ihres Stücks „Romeo & Julia – Liebe & Tod in der Küche“. So rasant es hier im Cateringbereich zugeht, so entschleunigend steht dem die Produktion „RAW“ von Edita Valášková und Šimon Dohnálek (CZ) entgegen. Die zwei jungen Puppenspieler bringen eine bewegte und bewegende Metapher über das Unvermeidliche auf eine kleine Tischbühne, die ohne Worte und dadurch umso persönlicher daherkommt. Außerdem zeigen Rebekah Wild (NZ) und Barbara Kriegl (AT), dass manches Alter unterschätzt wird, und laden zu einem Hexenreigen ein – mit zwei alten Hexen, zwei alten Besen, zwei „Goya Weibern“. Und schließlich fürchten wir uns „im Blut“ gemeinsam mit unserem Lieblings-Trio-Fatal, dem Wienerlied-Duo Die Strottern und Christoph Bochdansky (AT) mit seinen tolldreisten Puppen.

 

DAS PROGRAMM:
LIEBESG’SCHICHTEN & TODESSACHEN (Barbara Spitz)
31.10. & 1.11.2019, , 19:30 Uhr
„Liebesg’schichten und Todessachen“, nach „Homesick“ Barbara’s zweite Solo-Show, basiert auf unerwarteten anarchistischen Vor-und Zufällen, die sich am Sterbebett ihrer Eltern ereignet haben. Unterstützt von zwei Puppen, die nicht ganz koscher sind, und dem einzigartigen Flair des Wiener Liedes der 20er und 30er Jahre, erforscht Barbara mit viel Wärme und britischem Humor die Tabus rund um das Sterben. Sie zelebriert Wiens morbide, unsentimentale Liebesaffäre mit dem Tod. Unterstützt von Otmar Binder am Klavier!

WIEN-PREMIERE: RAW (Dramalabel/Edita Valášková & Šimon Dohnálek)
1.11.2019, 18:00 Uhr
raw, rough, unprocessed, abraded, inexperienced, open. A man dying. A person living. We, puppets and Death. Ein berührendes Stück über die Grenzen zwischen Leben und Tod und das Sterben. Die zwei jungen Puppenspieler bringen eine bewegte und bewegende Metapher über das Unvermeidliche auf eine kleine Tischbühne. Ein eigentlich höchst intimer Moment, der wie so Vieles, in unserer durchorganisierten Welt institutionell abgewickelt wird. Ohne Sprachbarriere (sehr wenig Text auf Englisch)

ROMEO & JULIA – Liebe und Tod in der Küche (Kaufmann&Co.)
2. & 3.11.2019, 19:30 Uhr
Romeo und Julia sind tot. Friede herrscht im lieblichen Verona. Ein Fest soll die Freundschaft der Familien besiegeln. Ausgerechnet die beiden Köchinnen der verfeindeten Häuser Capulet und Montague erhalten im Sinne der „Familienzusammenführung“ den Auftrag das Buffet gemeinsam vorzubereiten. Dabei flammt der Konflikt erneut auf. Sie verinnerlichen sich die Tragödie derart, dass sie in die Figuren schlüpfen und vor nichts zurückschrecken. Der Küchentisch wird zum „Kriegsschauplatz“ des Dramas: Gewürzgl.ser formieren sich zum Kampf, eine rote Peperoni verwandelt sich in den nach Julia fiebernden Romeo, Salz und Pfeffer gestehen sich rieselnd ihre Liebe, kleine Dickmänner singen zur Hochzeit Gospel,… Alles mündet in einem riesengroßen Spaß, der Schauspiel- und Objekttheater in Perfektion demonstriert, Poesie und rasante Szenenwechsel miteinander verbindet und beweist, dass Klassik durch den Magen gehen kann.

PREMIERE: GOYA WEIBER (Wild Theatre & Theater Fidlfadn)
31.10. & 1.-3.11.2019, , 19:15 Uhr
Rebakah Wild und Barbara Kriegl lassen sich von Francisco de Goyas Werken inspirieren und zeigen uns, wie zwei alte Hexen auch heute noch tanzen! Unterstützt wird ihr nonverbaler Reigen mit Live-Musik von Scott Wallace. Von und mit Wild Theatre and Theater Fidlfadn.

 

 

IM BLUT (Christoph Bochdansky & Die Strottern)
5. & 6.11.2019, 19:30 Uhr
Ein Abend mit puppengespielten Miniaturen und Liedern über Existenzen, die versuchen ihre Wünsche einzufangen und dabei, wie soll´s auch anders sein, doch nur stolpern. Diese Geschichten werden begleitet und mit Liedern kommentiert von dem Wienerlied-Duo „die Strottern“. Ein Symposion über Geschichten des Umfallens und des Schmunzelns darüber, mit Musik und Puppenspiel. Wieso auch nicht, sich einen Abend der Sentimentalität leisten.

 

Das Puppen sterben besser-Festival 2019 ist durch die ambitionierte Bezirksvorstehung Alsergrund gefördert. Wir danken herzlich!

 

 

Puppets die better-Festival

Puppets die better! The Schubert Theater proves this again at the third edition of the festival and shows amusing-dreadful puppet theater around Halloween, All Souls and All Saints. International guests invite you to engage with a theme that affects us all – finitude.

In her solo show „Liebesg’schichten & Todessachen“ Barbara Spitz explores the taboos and bizarre customs of different cultures surrounding death with much warmth and even more black humor. But death does not always have to be the end: Kaufmann&Co makes one of the most famous theater endings the starting point of their play „Romeo & Julia – Love & Death in the Kitchen“. As rapid as it gets started in the catering sector, so decelerating stands the production „RAW“ by Edita Valášková and Šimon Dohnálek opposite. The two young puppeteers bring a moving and evocative metaphor about the inevitable to a small table stage. Only a few words are said, thus the more personal it gets. Rebekah Wild and Barbara Kriegl show that some ages are underestimated and invite us to a Hexenreigen – with two old witches, two old brooms, two „Goya hags“. And finally, we are getting the shivers „im Blut“ together with our favorite trio fatal, the Wienerlied-Duo Die Strottern and Christoph Bochdansky with his fantastic puppets.

Die Welt ist ein Würstelstand

„Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.“ – Resi Resch

Betrachtungen der Würstelverkäuferin Resi Resch über die Welt und die Menschen – ein scharfes Auge, offenes Ohr und großes Herz. Mit einer gehörigen Portion wienerischen Pragmatismus’ und granteliger Philosophie.

Sie ist herzlich, grantig und urwienerisch: Resi Resch, die Betreiberin des besten Würstelstands der Stadt, eine Heldin des Alltags. Auf alle Lebensfragen hat sie eine Antwort parat. Und ihre Kund*innen haben ihren Rat dringend nötig. Der Hofrat etwa, der seit dem Tod seiner Frau nicht weiß, was er mit seiner zweiten Würstelhälfte machen soll. Die amerikanische Touristin, die die Lipizzaner sucht und Pferdeleberkäse bekommt. Der Obdachlose, die Immobilienmaklerin, die Ratte in der Mülltonne – alle virtuos von Manuela Linshalm zum Leben erweckt und serviert auf einem musikalischen Teppich wienerischer Popklänge von Heidelinde Gratzl am Akkordeon.

„Die Welt ist ein Würstelstand“ ist eine Gesellschaftsgeschichte von der Straße. Melancholisch, humorvoll, würzig. Und Resi Resch ein Publikumsliebling, denn ihr Charme ist unwiderstehlich. Was ist ihr Geheimnis? Hier geht es zu einem persönlichen Interview mit der Klappmaulpuppe:
Interview mit Resi Resch

Dauer: ca. 90 Minuten
Premiere: 21. November 2019

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Idee: Manuela Linshalm
Buch: Manuela Linshalm und Stephan Lack
Spiel: Manuela Linshalm
Regie: Christine Wipplinger
Musik: Heidelinde Gratzl
Puppen: Nikolaus Habjan, Manuela Linshalm, Marianne Meinl, Lisa Zingerle
Kostüm: Lisa Zingerle, Manuela Linshalm
Fotos: Barbara Palffy, Sebastian Kainradl

Eine Produktion des Schubert Theater Wiens
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Unterstützt durch die Stadt Wien und dem Bundesministerium.

Endlich die Endlichkeit überwinden!

Sprechende Gedärme aus Latex, eine Enthauptung im Dienste der Wissenschaft und bulgarisches Joghurt, das ein bisschen unsterblich macht. Ein Besuch in der Werkstatt der Spitzwegeriche.

Vier wunderschöne Gehirne hängen im Atelier herum. Sie sind besser als echt – doppelt so groß, und sie werden Erstaunliches auf der Bühne vollbringen. Hinter dieser besonderen Uraufführung steckt aber auch reichlich echtes Hirnschmalz. Woher kommt der Stücktext? „Wir verwenden beispielsweise Passagen aus dem dystopischen Roman Wir von Ewgeni Samjatin. Aber auch Ausschnitte aus Interviews mit bekannten Posthumanisten. Die sind faktisch, aber so größenwahnsinnig, dass man sie für Fiktion halten möchte“, erklärt Birgit Kellner. Mit Christian Schlechter arbeitet sie im Atelier gerade an den schillernden Figuren für Einfrieren, Hochladen, Weiterleben.: Körperteile, Chromosome, ein abgeschlagener und gefrorener Kopf. In drei Tagen beginnen die Proben, am 25. September ist Premiere.

In einen Kryonik-Behälter passt entweder ein Leib oder fünf Köpfe. 200 000 Dollar kostet es, den ganzen Körper einfrieren zu lassen, 80 000 wenn es nur das Haupt sein soll. Was nach Science Fiction klingt, ist in den USA und Japan längst ein Geschäftsmodell. Die wichtigste Zielgruppe sind reiche, alte, weiße Männer, die nicht sterben wollen. Sie setzen ihre Hoffnungen auf die Zukunft – vielleicht sind Medizin und Technologie eines Tages soweit, sie wieder auferstehen zu lassen. 

Eine andere Phantasie zum Thema Unsterblichkeit ist das Hochladen des menschlichen Bewusstseins in die Cloud. Einige Unternehmen im Silicon Valley sind auf entsprechende Forschung spezialisiert. Wo früher nur die Religion herhalten konnte, macht heute auch die Technologie Versprechungen. Gestern der Himmel, heute die Cloud? Das Bild ist ähnlich, der Inhalt auch – es geht um Glaube, Hoffnung und Größenwahn.

In acht Kapiteln wird die Gruppe Spitzwegerich von diesen Träumen und Transformationen erzählen. Wie bei Welcome to the insects bespielen Kellner und Schlechter mit ihren Figuren die Bühne des Schubert Theaters, gemeinsam mit Schauspieler Simon Dietersdorfer und Musiker Manfred Engelmayr. Die Musik greift abstrakte Ideen von der Unsterblichkeit auf – da lässt sich etwa mit der Shepard-Skala spielen, einer akustischen Illusion, die unseren Ohren eine unendlich ansteigende Tonskala vorgaukelt. Im Universum von Einfrieren, Hochladen, Weiterleben. ist außerdem Platz für wissenschaftliche Experimente, Mythen und historische Kuriositäten – wie das klassische Amputationsexperiment (Wurm wird zerschnitten, Wurm wächst nach), den riesigen Hype um bulgarischen, lebensverlängernden Joghurt im Jahre 1908 und einen gewissen Mondhasen, der das Elixier der Unsterblichkeit rührt. 

Eine bildgewaltige Inszenierung, in der es um nichts Geringeres geht als die Überwindung unserer Endlichkeit. Und in Folge auch die Überlegung, ob diese überhaupt ein erstrebenswertes Ziel darstellt. In Österreich ist es bislang verboten, sich einfrieren zu lassen. Gäbe es die finanziellen und rechtlichen Hürden nicht, würden sich die Spitzwegeriche dann einfrieren lassen? Sie sind sich einig: Nein. Und Sie?

Vorstellungen: 25.9., 26.9., 27.9., 19:30

Schubert Theater Wien

Redaktion: Jana Schulz, Fotos: Spitzwegerich

Ist die Maschine der bessere Mensch?

4.10.19, Text: Jana Schulz, Fotos: Simon Meusburger

Dieser Blogbeitrag war als Interview mit Simon Meusburger geplant. Doch das Aufnahmegerät hat beim Gespräch versagt, beim Schreiben muss ich mich ausschließlich auf mein Gedächtnis verlassen. Ist es überhaupt noch zulänglich oder habe ich schon alle Verantwortung an die Maschine ausgelagert? Ein angemessener Einstieg in das Thema.

„Merken Sie sich meine Worte: Künstliche Intelligenz ist viel gefährlicher als Atomwaffen“ warnt Tesla-Chef Elon Musk. Regisseur Simon Meusburger zeigt sich hingegen optimistisch: „Die Menschheit hat sich ganz allein durch ihre natürliche Dummheit in unsere heutige, wenig hoffnungsvolle Lage manövriert. Ich glaube, keine künstliche Intelligenz würde so selbstzerstörerisch handeln wie der Mensch selbst“. Wie wäre es also mit einer ethischen KI, verlässlich, klug, unkorrumpierbar – einer Maschine, die der bessere Mensch ist? Einer Maschine, die die großen Probleme löst, an denen wir selbst immer wieder scheitern?

In PROJEKT PINOCCHIO, der neuen Produktion des Schubert Theaters (Premiere am 13.10.19), wagt ein Forscher*innenteam dieses Experiment. Zwei Entwicklerinnen (Lisa Furtner, Franziska Singer) und ihr Kollege (Christoph Hackenberg) verleihen einem Roboter ein Bewusstsein, indem sie das Märchen von Pinocchio in sein Rechenzentrum einspeisen. Und dann testen sie seine Reaktionen. Seine Eignung als Mensch, wenn man so will.

Der Clou an diesem Stück: Es wurde in großen Teilen von einer Maschine geschrieben. Simon Meusburger hat während seiner Recherchen zu PROJEKT PINOCCHIO beschlossen, den Theatertext gemeinsam mit der künstlichen Intelligenz GPT-2 zu verfassen. Wie kann man sich diese Co-Autorschaft vorstellen? „Ich gebe dem Programm eine kurze Passage aus dem Originaltext von Carlo Collodi. Oder ein, zwei einleitende Sätze zu einer Theaterszene, die ich ausgedacht habe. GPT-2 schreibt diese Texte dann weiter. Es ist faszinierend, welche Lösungen das Programm vorschlägt: Zum Beispiel lässt es den Roboter mit einem lauten Schrei zu Bewusstsein kommen. Es gibt auch eine beeindruckende Passage, in der die Künstliche Intelligenz beschreibt, was Bewusstsein eigentlich ausmacht“. Aber sind diese Texte denn nicht manchmal sinn- oder seelenlos? „Sie sind erstaunlich gut. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich teilweise selbst nicht mehr genau, was ich geschrieben habe und was von GPT-2 kommt“. Wohl musste Meusburger in der ersten Arbeitsphase sortieren und auswählen, denn das Programm ist nur in einer unvollkommenen Variante verfügbar. Die Vollversion war so gut, die Texte so täuschend echt, dass sie nicht veröffentlicht wurde – damit würde sich etwa das ganze Internet auf einen Schlag mit Fake News fluten lassen. Womit wir wieder bei Elon Musks Prognose wären.

Auch die Theatermusik kommt von einer KI, dem Kompositionsprogramm Aiva. Bei den ganz Großen hat es gelernt: Beethoven, Bach, Mozart. Manchmal sind die Kompositionen bemerkenswert, manchmal sehr beliebig.

„Ich finde es sehr interessant, was es mit dem Zuschauer macht, wenn eine Szene oder eine Musik Emotionen in ihm auslöst – und er danach erfährt, dass sie von einer Maschine stammt“, sagt Simon Meusburger. Letztendlich geht es bei unserer intensiven Beschäftigung mit KI nicht um Technik, sondern um uns. Wir projizieren in die Maschine, sie spiegelt zurück. Es ist kein Zufall, dass wir unseren Robotern am Liebsten ein menschliches Antlitz verleihen, das dem Kindchenschema entspricht. Auch die Pinocchio-Puppe ist so angelegt (Puppenbau: Michaela Studeny).

PROJEKT PINOCCHIO spielt in der nahen Zukunft, es ist Science-Fiction, aber es ist nicht realitätsfern. Wir erinnern uns: 2017 hat ein Google-Programm selbstständig das extrem komplexe Brettspiel Go erlernt und den menschlichen Weltmeister besiegt. Go galt lange als eine Bastion des Menschen und seiner kreativen Denkansätze, für Maschinen nicht zu bewältigen. Nun hat die KI diese Hürde genommen.

„Ich sehe eine Chance in diesen Entwicklungen. Wir sollten uns wirklich wieder mehr besinnen auf das, was uns als Menschen ausmacht. Wir müssen uns nur ansehen, wie entmenschlicht unser Leben ist. Die Arbeitswelt ist nur ein Beispiel dafür. Künstliche Intelligenz könnte uns all diese entfremdete Arbeit abnehmen, und was uns Menschen dann noch zu tun bleibt, ist die wirklich kreative, schöne Arbeit, also beispielsweise originelle Kompositionen. Dann soll die immer gleiche Hollywood-Musik eben von einer Maschine geschrieben werden“.

Bei einem Probenbesuch habe ich mir von Simon Meusburger das Kompositionsprogramm zeigen lassen. Wir haben die Parameter auf „Sea Shanty“, „Dreivierteltakt“ und „Moll“ gestellt. Die recht beliebigen Ergebnisse waren eine Genugtuung. Zumindest bei der Seemannsmusik bleibt die Menschheit unschlagbar.

PROJEKT PINOCCHIO

Premiere: 13.10.19