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Endlich die Endlichkeit überwinden!

Sprechende Gedärme aus Latex, eine Enthauptung im Dienste der Wissenschaft und bulgarisches Joghurt, das ein bisschen unsterblich macht. Ein Besuch in der Werkstatt der Spitzwegeriche.

Vier wunderschöne Gehirne hängen im Atelier herum. Sie sind besser als echt – doppelt so groß, und sie werden Erstaunliches auf der Bühne vollbringen. Hinter dieser besonderen Uraufführung steckt aber auch reichlich echtes Hirnschmalz. Woher kommt der Stücktext? „Wir verwenden beispielsweise Passagen aus dem dystopischen Roman Wir von Ewgeni Samjatin. Aber auch Ausschnitte aus Interviews mit bekannten Posthumanisten. Die sind faktisch, aber so größenwahnsinnig, dass man sie für Fiktion halten möchte“, erklärt Birgit Kellner. Mit Christian Schlechter arbeitet sie im Atelier gerade an den schillernden Figuren für Einfrieren, Hochladen, Weiterleben.: Körperteile, Chromosome, ein abgeschlagener und gefrorener Kopf. In drei Tagen beginnen die Proben, am 25. September ist Premiere.

In einen Kryonik-Behälter passt entweder ein Leib oder fünf Köpfe. 200 000 Dollar kostet es, den ganzen Körper einfrieren zu lassen, 80 000 wenn es nur das Haupt sein soll. Was nach Science Fiction klingt, ist in den USA und Japan längst ein Geschäftsmodell. Die wichtigste Zielgruppe sind reiche, alte, weiße Männer, die nicht sterben wollen. Sie setzen ihre Hoffnungen auf die Zukunft – vielleicht sind Medizin und Technologie eines Tages soweit, sie wieder auferstehen zu lassen. 

Eine andere Phantasie zum Thema Unsterblichkeit ist das Hochladen des menschlichen Bewusstseins in die Cloud. Einige Unternehmen im Silicon Valley sind auf entsprechende Forschung spezialisiert. Wo früher nur die Religion herhalten konnte, macht heute auch die Technologie Versprechungen. Gestern der Himmel, heute die Cloud? Das Bild ist ähnlich, der Inhalt auch – es geht um Glaube, Hoffnung und Größenwahn.

In acht Kapiteln wird die Gruppe Spitzwegerich von diesen Träumen und Transformationen erzählen. Wie bei Welcome to the insects bespielen Kellner und Schlechter mit ihren Figuren die Bühne des Schubert Theaters, gemeinsam mit Schauspieler Simon Dietersdorfer und Musiker Manfred Engelmayr. Die Musik greift abstrakte Ideen von der Unsterblichkeit auf – da lässt sich etwa mit der Shepard-Skala spielen, einer akustischen Illusion, die unseren Ohren eine unendlich ansteigende Tonskala vorgaukelt. Im Universum von Einfrieren, Hochladen, Weiterleben. ist außerdem Platz für wissenschaftliche Experimente, Mythen und historische Kuriositäten – wie das klassische Amputationsexperiment (Wurm wird zerschnitten, Wurm wächst nach), den riesigen Hype um bulgarischen, lebensverlängernden Joghurt im Jahre 1908 und einen gewissen Mondhasen, der das Elixier der Unsterblichkeit rührt. 

Eine bildgewaltige Inszenierung, in der es um nichts Geringeres geht als die Überwindung unserer Endlichkeit. Und in Folge auch die Überlegung, ob diese überhaupt ein erstrebenswertes Ziel darstellt. In Österreich ist es bislang verboten, sich einfrieren zu lassen. Gäbe es die finanziellen und rechtlichen Hürden nicht, würden sich die Spitzwegeriche dann einfrieren lassen? Sie sind sich einig: Nein. Und Sie?

Vorstellungen: 25.9., 26.9., 27.9., 19:30

Schubert Theater Wien

Redaktion: Jana Schulz, Fotos: Spitzwegerich

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