Grünschnabel in Wien

2014 haben wir mit der Produktion „F.Zawrel“ den Grünschnabel-Preis des Schweizer Figurentheater-Festivals FIGURA in Baden gewonnen. Vor lauter Freude luden wir alle Nominierten im Herbst zu uns nach Wien ein – was für ein Fest!

Go!
Polina Borisova, Frankreich / Russland
In einem faszinierenden Geflecht von eigenen und fremden, erlebten und imaginierten Lebensepisoden erzählt Polina Borisova von der Einsamkeit, die einen bei der Reise in die Erinnerung befällt. Poetisch und humorvoll.

Der Freischütz
Samira Lehmann und Stefan Wenzel, Deutschland
Mit Objekten und Figuren, E-Gitarren und Hochzeitskleidern spielen Samira Lehmann und Stefan Wenzel um ihr Leben und entführen in kleine Idyllen und große Alpträume. Inmitten von Jagdglamour und Trashmusik geht es um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens: Die Jagd und die Liebe.

Land in Sicht
Pascal Martinoli, Schweiz
Wenn ein Mensch alles besitzt. Alles. Dann sollte er doch glücklich sein. Nicht wahr? Leider ist das nicht immer so. Pascal Martinoli erzählt in seiner mit schwarzem Humor und gleichzeitig zarter Poesie durchtränkten Inszenierung von der Macht der Phantasie, und entführt das Publikum in eine Welt, die mit Geld nicht zu besitzen ist.

Zwischenfälle
Triebwerk Berlin, Deutschland
Auf der Erde träumen zwei alte Herren von einer Reise nach Brasilien. Im selben Moment fliegt hoch über ihnen eine Boeing 747 nach Rio de Janeiro. An Bord servieren die zwei Flugbegleiterinnen Veronika Thieme und Ulrike Langbein Geschichten aller Art: Adam trifft Eva, Eva trifft Leonardo, der Gelehrte trifft ins Schwarze und wieder einmal treffen sich die füreinander Bestimmten nicht… Ein Flug über den Atlantik, durch die absurden Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins. Nicht mehr und nicht weniger. Frei nach Daniil Charms.

6 ÖSTERREICHER UNTER DEN ERSTEN 5

ABGESPIELT

Eine Koproduktion mit dem Rabenhof Theater

Die Geschichte eines Deutschen, der nach Österreich aufbrach, um entpiefkenisiert zu werden: Eine absurd-komische Puppenshow von Nikolaus Habjan und Simon Meusburger, den nestroyprämierten Masterminds des zeitgenössischen Puppentheaters – auf den Brettern, die die Vorstadt bedeuten.

Wie dereinst Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt nach Amerika fuhr, zog der junge deutsche Student, Dirk Stermann, im Wintersemester 87/88 von Düsseldorf nach Wien, um eine für ihn fremde, exotische Welt zu erforschen und letztlich dort zu bleiben. Für einen fernreisenden Deutschen gibt es keine schwierigere Aufgabe, als in Österreich Integration zu erfahren. Zu viele exotische Eindrücke, oide Huan, fette Taxla, lesbische Zuhälterinnen, der Hundefetisch – eine neue Welt gilt es für ihn zu entdecken, eine neue Sprache zu lernen und vor allem, zu überleben.

stimmungsvoll-erdiges Puppentheater“ (Kurier)
brutal komisch“ (Falter)
die Puppen singen, tanzen, feixen, prügeln sich um die Publikumsgunst“ (Wiener Zeitung)

Puppenspiel: Manuela Linshalm, Nikolaus Habjan
Dirk Stermann: Richard Schmetterer
Musik: Kyrre Kvam
Buch: Dirk Stermann
Regie: Simon Meusburger
Photos: Barbara Pálffy

Dauer: 90 Minuten
Premiere 23. April 2014 im Rabenhof-Theater Wien

In Zusammenarbeit mit dem Theater Rabenhof.

Unterstützt durch die Stadt Wien und dem Bundesministerium.

DON QUIJOTE

ABGESPIELT

Die Geschichte des Alonso Quijano ist eine Geschichte des Scheiterns. Über das Aussteigen aus der Gesellschaft. Einer Gesellschaft des Überflusses. Es geht um das Scheitern, um die Flucht in den eigenen Kopf, um sich dann aus ihm heraus gegen die reale Welt zu wehren. Sich keine Gedanken über Gedanken anderer zu machen. Sich in Lächerlichkeit, in die “traurige Gestalt” zu stürzen.

Miguel Cervantes über 400 Jahre alter zum Weltklassiker gereifte Roman bildet die Grundlage der Figurentheater Produktion. Zwei Puppenspieler, Nikolaus Habjan und Manuela Linshalm spielen darin in den verschiedenen montagehaft aneinandergereihten Episoden die unterschiedlichsten Figuren und lassen so die kühnen Visionen des „Ritters der traurigen Gestalt“ lebendig werden.

Die zentralen Themen des Romans sind bei Cervantes – ähnlich wie in den Stücken seines Zeitgenossen Shakespeare – Fragen: „Was ist Wirklichkeit? Was ist Traum? Der Konflikt zwischen dem Ideal und der Realität. Wie geht die Gesellschaft mit Wahnsinn oder einem Verrückten um?“ – Diese Themen können in der Form des Figurentheaters ideal umgesetzt werden. Ebenso die enge, untrennbare Freundschaft des Don Quijote mit Sancho Pansa wird durch die Figur und ihrer Verbindung zum Spieler wunderbar dargestellt.

„Don Quijote“ begegnen wir heute in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Menschen, die daran scheitern dem gängigen Gesellschaftsklischee zu entsprechen und für sich keinen anderen Ausweg finden als die Flucht in die Phantasiewelt der Tagträume bis hin zur Wahnvorstellung. Für alle diese Menschen soll unsere Don Quijote-Puppe eine Reflexionsfläche sein.

Mit: Nikolaus Habjan und Manuela Linshalm
Regie: Simon Meusburger
Textfassung: Georg Holzer und Johannes Schmid
Puppendesign: Nikolaus Habjan
Puppenbau: Nikolaus Habjan und Lisa Zingerle
Kostüm: Lisa Zingerle
Bühne: Billie Lea Lang
Lichtgestaltung: Simon Meusburger
Regieassistenz: Lena Madl
Photos: Barbara Pálffy

Dauer: 100 Minuten
Premiere: 9. Oktober 2013

Unterstützt durch die Stadt Wien und dem Bundesministerium.

ALICE

ABGESPIELT

„Still she haunts me, phantomwise,
Alice moving under skies 
Never seen by waking eyes.…
In a Wonderland they lie,
Dreaming as the days go by,
Dreaming as the summers die:
Ever drifting down the stream – 
Lingering in the golden gleam – 
Life, what is it but a dream?“

Lewis Carroll’s zeitlose Nonsense Romane bilden die Grundlage für die Figurentheater-Produktion des Schubert Theaters. Folgen Sie Alice in die Abgründe des Kaninchenbaus. Eine Reise in die Tiefen einer Kinderseele, die in einer Welt voller merkwürdiger Regeln immer wieder versucht, den Sinn herauszufinden. Eine Welt die nicht verstanden werden kann. Öffnen Sie die Tür in eine Welt voller Paradoxa und Absurditäten, Traum und Albtraum zugleich. Unter der Regie von Simon Meusburger spielen Franziska Singer, Manuela Linshalm, Christoph Hackenberg und Andrea Köhler in dieser radikalen Version von Alice im Wunderland.

Premiere: 2013
Kritik

Alice: Franziska Singer
Puppenspiel: Manuela Linshalm, Christoph Hackenberg, Andrea Köhler
Buch und Regie: Simon Meusburger
Puppendesign: Claudia Six
Puppenbau: Claudia Six und Lisa Zingerle
Kostüm: Lisa Zingerle
Animation: Karoline Riha
Bühne: Max Mackinger
Photos: Barbara Pálffy

Dauer: 90 Minuten

Unterstützt durch die Stadt Wien und dem Bundesministerium.

F.ZAWREL – ERBBIOLOGISCH UND SOZIAL MINDERWERTIG

Österreichische Zeitgeschichte als Figurentheater.
Nikolaus Habjan und Simon Meusburger arbeiten ein dunkles Kapitel österreichischer Geschichte auf.

Friedrich Zawrel (1929-2015) wächst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in Wien unter schwierigsten Umständen auf. Der Vater ist Alkoholiker, die Mutter kann die Familie, die bald als nicht mehr förderungswürdig eingestuft wurde, unmöglich alleine ernähren.

„Wenn ich heute Bilder aus der dritten Welt seh, dann erinnert mich vieles an meine ersten Kinderjahre in Kaisermühlen. Wennst 10 Groschen ghabt hast, da warst ein Kaiser. Wann mei Mutter an Schilling ghabt hat, da ham sich sieben Leut’ satt essen kenna.“ , erinnert sich Friedrich Zawrel.
Nach der Delogierung der Familie kommt Friedrich Zawrel zum ersten Mal in ein Heim. Nach mehreren Fluchten von seiner Pflegefamilie landet er schließlich 1943 in der Krankenanstalt Am Spiegelgrund, der zweitgrößten „Kinderfachabteilung“ des Deutschen Reiches, in der kranke, behinderte und vermeintlich erblich belastete Kinder und Jugendliche behandelt wurden und rund 800 Euthanasiemorde an Kindern stattgefunden haben. Friedrich Zawrel wird als „erbbiologisch und sozial minderwertig“ eingestuft und von Ärzt*innen und Pfleger*innen gefoltert und gequält, darunter auch Heinrich Gross, der ihn mit zahlreichen „medizinischen“ Versuchen foltert. Friedrich Zawrel kann mithilfe einer Krankenschwester aus der Anstalt fliehen.

Viele Jahre später will es das Schicksal, dass sich der Folterer und sein Opfer noch einmal begegnen. Friedrich Zawrel, dem von der Republik Österreich eine Ausbildung verwehrt wird, hat sich als Kleinkrimineller über Wasser gehalten. Dr. Heinrich Gross ist inzwischen eine anerkannte Persönlichkeit in Österreich. Seine medizinischen Forschungen an den Kindergehirnen der ermordeten Kinder aus der ehemaligen Nazieinrichtung haben ihm zahlreiche Auszeichnungen eingebracht. Mittlerweile ist er Parteimitglied der SPÖ und erhält das Bundesverdienstkreuz für Wissenschaft und Kunst. Außerdem ist er der einflussreichste Gerichtsgutachter der Republik. In dieser Funktion sitzt er nun seinem ehemaligen Opfer Friedrich Zawrel gegenüber.

„Für einen Akademiker ham Sie aber ein schlechtes Gedächtnis“, antwortet Zawrel, als Gross ihn  nicht erkennt.
Als er für Zawrel dann das Gerichtsgutachten wegen eines Überfalls schreiben soll, zitiert er die Worte aus dem Gutachten von 1944 „erbbiologisch und sozial minderwertig“ und sorgt damit dafür, dass Zawrel für viele Jahre in die Justizanstalt Stein gesperrt wird.
Erst im Jahre 2000 kommt es nach vielen Bemühungen Zawrels zu einem Gerichtsverfahren gegen den Naziverbrecher, das aber wegen einer angeblichen Demenz von Gross eingestellt wird. Er kann sich an nichts mehr erinnern.

Zawrel hingegen verarbeitet seine Erlebnisse. Seine Erinnerungen und Erzählungen sind ein Zeitdokument von unschätzbarem Wert. Seine Vorträge in Schulen im ganzen Land haben tausende Schüler schockiert und gerührt. Und sie waren und sind Grundlage für zahlreiche Publikationen, Dokumentationen und Filme.

Das Figurentheaterstück „F.Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig“ entstand in enger Zusammenarbeit mit Zawrel selbst. Seine sehr persönlichen Gespräche, die er mit Puppenspieler Nikolaus Habjan und Regisseur Simon Meusburger geführt hat, dienten als Grundlage für dieses Projekt. Habjan schlüpft in dieser Produktion nicht nur in die Rolle von Zawrel, sondern auch in die des Arztes Gross und durchlebt in einzelnen Stationen diese außergewöhnliche Geschichte. Ein Stück erlebbare Zeitgeschichte, die bis in die Gegenwart reicht.

Trotz der schweren Lebensumstände hat Friedrich Zawrel nie Rache gesucht, sondern war immer auf der Suche nach Verständnis. Wenn er erneut Kontakt zu seinem Folterer Heinrich Gross gesucht hat, so nicht um ihm Vorwürfe zu machen, sondern um ihn zu fragen: Warum?

Unsere Produktion erhielt den Nestroypreis 2012 in der Kategorie Beste Off-Produktion und den Schweizer Kulturpreis „Grünschnabel“ 2014. Am 22. März 2022 feierten wir das 10-jährige Jubiläum.

 

DVD-Bestellung
Begleiten Sie den Zeitzeugen selbst ins Akademietheater und erleben Sie die Vorstellung vom 11. November 2014, in der er – drei Monate vor seinem Tod – als Ehrengast anwesend war.
Für und mit dem Schubert Theater Wien, der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik und dem Justizministerium wurde der preisgekrönte Theaterabend in eine filmische Form gebracht und eine DVD mit vielen Zusatzmaterialien entwickelt. Natürlich durften deutsche und englische Untertitel dabei nicht fehlen. Mehr Info

Buch: Nikolaus Habjan und Simon Meusburger
Regie: Simon Meusburger
Spiel: Nikolaus Habjan
Puppenbau: Nikolaus Habjan
Kostüm & Ausstattung: Lisa Zingerle
Lichtdesign: Simon Meusburger
Fotos: Barbara Pálffy, Sabine Hauswirth

Dauer: 120 Minuten ohne Pause

Uraufführung: 22. März 2012

Unterstützt durch die Stadt Wien und dem Bundesministerium.