Schicht um Schicht, Geschichte um Geschichte
Lebendige Geschichte schreibt immer neue Geschichten, und wir im Theater übersetzen und verarbeiten sie, arbeiten mit ihr, arbeiten sie ab. Schicht um Schicht. Geschichte schreibt sich jeden Tag, doch vor allem in den letzten Saisonen war die Geschichtsschreibung präsenter, weil einschneidender, denn je. Nach der zögerlichen Wiedereröffnung kam schließlich 2022/23 die erste Saison ohne Unterbrechungen. Wir sind noch da. Doch eines war klar: Es ist keine bloße Rückkehr, die Welt hat sich verändert.
Aus dem im April 2023 veröffentlichten Endbericht der SORA-Studie* zur kulturellen Beteiligung in Österreich geht hervor: Es sind nicht die rosigsten Zeiten für ein kleines Off-Theater in Wien. In das Leben der ohnehin schon wenigen konstanten Besucher*innen von Theatern mischt sich Besorgnis, Angst und Ärger. 43 % fühlen sich vom Programm gleich gar nicht angesprochen. Doch wenn wir vom Schubert Theater für eines bekannt sind, dann um Herausforderungen gerne anzunehmen: mit dem “Spaziergang für die Figur” wurde ein neues Outdoor-Stationentheater konzipiert, und das Interesse an Technologie und Fortschritt wird im Future Lab gestillt. Das Herzstück sind und bleiben unsere Bühnenstücke.
Schicht um Schicht bauen wir also unseren Theaterbetrieb wieder auf. Setzen auf Altbewährtes, wie wir auch mit Neuem experimentieren. Finden alte Freunde mit neuen Ideen, und neue Freunde auf alten Wegen. Schauen in die Zukunft, um zu sehen, woher wir kommen. Wichtig dabei ist, unsere Motivation für ein Figurentheater nicht aus den Augen zu verlieren. Denn Theater ist und bleibt ein Ort der Begegnung, ein Ort der Auseinandersetzung, ein Ort der Transformation, der Unterhaltung, ein Ort der Nachdenklich macht, der zum Nachdenken verleiten kann, ein Ort, in dem gemeinsam eine Geschichte entsteht. Einzigartig und einmalig. Jeden Abend neu und wieder vergangen für immer. Dies alles zusammen und noch viel mehr macht Theater so unverzichtbar. Theater ist mehr als nur „systemrelevant“, es ist überlebenswichtig für eine gesunde Gesellschaft. Die Wirkung der Katharsis, diese von den alten Griechen postulierte Theorie der Reinigung durch komische und tragische Geschichten, ist mittlerweile zahlreich untersucht und bewiesen. Theater macht gesund. Und ist dabei noch so wundervoll unterhaltsam, spannend, magisch, lustig, zum Lachen, Weinen und Fürchten und alles zusammen. Geschichte zum immer wieder neu Erleben. Schicht für Schicht.
Und dabei wollen und müssen wir vielschichtig arbeiten, und das Verbindende in uns finden. Wir wollen ein großer Nenner Vieler sein, ein vertrauter Ort, der Neues entdecken lässt, zu dem man immer wieder kommt, um sich selbst zu sein und trotzdem neue Perspektiven auszuprobieren und zu entdecken, sei es durch eine VR-Brille oder einen Habsburger-Vampir. Denn wir glauben an eine Gesellschaft, an unsere Gesellschaft, die voneinander lernt, sich inspiriert und austauscht. Für uns ist dieser Austausch lebensnotwendig.
Deswegen öffnen wir auch diese Saison wieder das Schubert Theater, und hoffen, mit der saisonalen Mischung wieder ein vielfältiges und spannendes Programm aus Premieren, Koproduktionen und Gastspielen zu liefern. Wir freuen uns auf die Premiere Tesla 369 und die zwei ersten Teile der Habsburg-Trilogie, die auch beim vierten Spaziergang für die Figur mitmischen werden. Ab in die Zukunft heißt es auch beim diesjährigen Future Lab wieder. Und wir sind auch wieder auf Tour in der Schweiz, in Deutschland, Südtirol und Österreich – u.a. auf der Ars Electronica.
Auch wenn wir aufgrund der Inflation unsere Preise etwas erhöhen mussten, haben wir einige Programmpunkte und Angebote, die das Kultur-Portemonnaie schonen.
Wir freuen uns auf die Saison mit euch!
Lisa Zingerle & Simon Meusburger
*Sora-Studie:
Aus dem im April 2023 veröffentlichten Endbericht der SORA-Studie zur kulturellen Beteiligung in Österreich geht hervor: 54 % der Befragten gehen nicht ins Theater. “23% der früheren Theaterbesucher*innen schränkten ihre Theaterbesuche ein, wobei der Großteil davon 2022 kein einziges Mal mehr im Theater war.” Nur 15% der Bevölkerung zählen zur Gruppe der konstanten Besucher*innen, die im Schnitt sieben Mal im Theater waren, und 9% kommen im Schnitt zwei Mal/Jahr in Theater. Aber nicht nur Theater haben ein Problem: “41% aller im Rahmen der Studie Befragten sagen, sie hätten derzeit zu viele andere Sorgen, um sich für Kunst und Kultur zu interessieren.” Um die 40 % geben an, “dass ihnen Kunst und Kultur in den letzten Jahren immer weniger wichtig geworden seien.” Außerdem haben “die Hälfte der peripheren Besucher*innen und 62% der Nicht-Besucher*innen das Gefühl, die derzeitigen Kunst- und Kulturangebote in Österreich seien nichts für Menschen wie sie.” Fernsehen und Streaming-Dienste haben vorrangig Theaterbesuche abgelöst. Die zwei Hauptgründe mit jeweils rund einem Drittel dafür sind mangelndes Interesse und um Kosten zu sparen, aber auch die Nachwehen der Pandemie sind noch zu spüren.
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